Nun legt der russisch-orthodoxe Patriarch Kirill nach. Gleichgeschlechtliche Ehen seien ein Anzeichen für den bald anstehenden Weltuntergang. Diejenigen, die Homo-Ehen kritisieren seien ständigen Angriffen und Kritiken ausgesetzt. Der Westen befände aufgrund der rechtlichen Legalisierung von Homo-Ehen in einem Prozess der Selbstzerstörung.
„Wir müssen alles tun, um eine Legalisierung im heiligen Russland zu verhindern“, zitiert The Moscow Times den Patriarchen.
Präsident Wladimir Putin teilt die Ansichten Kirills. Am 30. Juni unterzeichnete er das Gesetz gegen „Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen”. Darüber mit Minderjährigen zu sprechen ist ebenso verboten, wie sich etwa in Kundgebungen für deren Rechte einzusetzen.
Durch das Gesetz drohen auch Ausländern bei Weitergabe von Informationen, öffentlicher Demonstration und Unterstützung von Homosexualität Geldstrafen in Höhe von bis zu 100.000 Rubel (rund 2.300 Euro), bis zu 15 Tage Haft und die Ausweisung aus der Russischen Föderation. Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen nach Russland (mehr hier).
Homosexualität ist nach Ansicht vieler Russen eine Sache von Pädophilen und Faschisten (mehr hier).
]]>Das am 30. Juni von Präsident Wladimir Putin unterzeichnete Gesetz gegen „Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen” befugt die russischen Behörden auch gegen Ausländer aktiv zu werden. Auswirkungen könnte das nicht nur auf den Tourismus, sondern sogar auf die anstehenden Olympischen Spiele in Sotschi 2014 haben.
Das neue Gesetz äußerst vage formuliert. Selbst das Zeigen einer Regenbogenflagge oder Hand in Hand durch die Straßen zu laufen, werde geahndet. Das Auswärtige Amt warnt bereits vor möglichen Folgen bei Reisen nach Russland. Durch das Gesetz, so heißt es dort, drohen auch Ausländern bei Weitergabe von Informationen, öffentlicher Demonstration und Unterstützung von Homosexualität Geldstrafen in Höhe von bis zu 100.000 Rubel (rund 2.300 Euro), bis zu 15 Tage Haft und die Ausweisung aus der Russischen Föderation (mehr hier).
Der Schritt kommt übrigens zu einem besonders kritischen Zeitpunkt. Die Vorbereitungen zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 laufen auf Hochtouren. Menschenrechtsaktivist Boris O. Dittrich, Direktor bei Human Rights Watch, kritisierte das Gesetz in einem Brief an den Generaldirektor des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Christophe De Kepper, scharf: „Die langjährige Position von Human Rights Watch ist, dass es keine erfolgreichen Olympischen Spiele geben kann, wenn es Diskriminierung oder Menschenrechtsverletzungen gibt“, zitiert ihn die Huffington Post. Ausländer – möglicherweise auch Sportler -, die das Gesetz verletzen würden, wenn sie etwa über ihre sexuelle Orientierung in der Öffentlichkeit sprechen würden, riskierten eine Geldbuße, 15 Tage Gefängnis und gar die Ausweisung.
Dittrich empfiehlt dem IOC einen dauerhaften Mechanismus zu installieren, um Maßstäbe für Menschenrechte für alle Olympischen Gastgeberländer durchzusetzen und diese schon in der Vorbereitung und während der Olympischen Spiele zu überwachen. Erst im vergangenen Monat hatte das IOC signalisiert, LGBT-Athleten während der bevorstehenden Olympischen Spiele in Russland zu unterstützen.
Bereits Mitte Juni dieses Jahres kritisierte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle das neue Gesetz gegen „Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen”. Die bewusste Stigmatisierung und Strafandrohung gegenüber gleichgeschlechtlichen Beziehungen dürfe in einer modernen und dem Anspruch nach demokratischen Gesellschaft keinen Platz haben, zitierte Reuters Westerwelle.
Neben Westerwelle äußerte sich auch der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte, Markus Löning, zu den Ereignissen in Russland. Er sei „zutiefst betroffen“, durch das neue Gesetz würden „Homosexuelle noch weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt und die Presse- und Meinungsfreiheit noch weiter eingeschränkt“, so Löning in Berlin. Es sei aber die „Aufgabe der Regierung, gegen homophobe Stimmungen in der russischen Gesellschaft vorzugehen“. Die bewusste „Diskriminierung und Stigmatisierung von Schwulen und Lesben hat in einer modernen Gesellschaft keinen Platz“, sagte Löning weiter. Doch diese ist noch immer in alten Denkmustern gefangen (mehr hier).
]]>Der Schock am vergangenen Dienstag saß tief. Einstimmig billigte die Staatsduma das so genannte Anti-Schwulen-Gesetz. Homosexualität soll damit aus der russischen Öffentlichkeit verschwinden. Darüber mit Minderjährigen zu sprechen ist ebenso verboten, wie sich etwa in Kundgebungen für deren Rechte einzusetzen. Wer dagegen verstößt, muss mit empfindlichen Strafen von bis zu 31.000 US-Dollar rechnen. Mit Protestaktionen hatte die homosexuelle Community bis zuletzt versucht dagegen anzugehen. Angegriffen wurden sie jedoch nicht nur von den Sicherheitskräften, sondern auch von orthodoxen Christen und Kreml-Aktivisten. Mit schwulenfeindlichen Bannern ausgestattet, starteten sie eine Gegendemonstration. Ihr Credo: „Abgeordnete, schützt uns vor perversen Leuten!“
„Das Argument, dass man junge Leute dazu bringen kann, homosexuell zu werden, mag veraltet sein. Doch tatsächlich ist es im modernen Russland noch immer präsent“, so die Zeitung The Atlantic in einem Beitrag zum Thema. Das ginge sogar so weit, dass Homosexualität und Kindesmissbrauch in einen Topf geworfen und internationale Superstars wie Madonna für ihre klaren Worte abgestraft würden. Schauriger Gipfel des Schwulenhasses: Im vergangenen Mai wurde ein junger Mann nach seinem Outing in Wolgograd zu Tode gequält.
Die Wurzeln hierfür sind nach Ansicht des Blattes in der Vergangenheit zu suchen. Noch zu Sowjetzeiten sei Homosexualität ein Verbrechen gewesen und mit Gefängnis und Zwangsarbeit bestraft worden. Noch während der 60er und 70er Jahre wirkte diese stalinistische Anti-Homosexuellen-Politik. Homosexuelle seien als „Außenseiter“ betrachtet worden. Homosexualität, so die weit verbreitete Meinung, sei eine Sache von Pädophilen und Faschisten.
Maßnahmen wie dieses Propaganda-Verbot würden nun zeigen, dass viele Russen diese Ansichten noch immer nicht ad acta gelegt hätten. Und das selbst Jahrzehnte nach Ende des Regimes. „Als Stalins antihomosexuellen Gesetz im Jahr 1993 aufgehoben wurde, gab es keine Amnestie für diejenigen, die noch wegen Sodomie im Gefängnis saßen“, so etwa der Professor für Geschichte Dan Healey, ein Experte für Homosexualität in Russland. Seit den 90er Jahren, so das Blatt weiter, hätten die Russen zudem unglaubliche wirtschaftliche Turbulenzen, einen Verlust von öffentlichen Dienstleistungen in vielen Bereichen, und die weit verbreitete Korruption erlebt. Alles Faktoren, die, so Yvonne Howell, eine russische Professorin an der University of Richmond, das Ausbilden negativer Stereotypen vorantreiben würden.
Das Ergebnis all dieser Erfahrungen liegt, so The Atlantic, auf der Hand: „Nur 16 Prozent der Russen heute sagen, dass Homosexualität von der Gesellschaft akzeptiert werden sollte, verglichen mit 42 Prozent in der Nähe des (ebenfalls einst kommunistischen) Polen.“ Interessanterweise würde sich die russische Gesellschaft damit aber einem weltweiten Trend entziehen, der Homophie und starke Religiösität miteinander in Verbindung bringt. Denn: Die Russen würden sowohl Gott als auch Homosexuelle ablehnen, wie die Chinesen. Russland gilt derzeit als eines der am wenigsten gläubigen Länder auf der Erde, mit nur 33 Prozent, die sagen, Religion sei in ihrem täglichen Lebe sehr wichtig.
Doch obschon die Russen keine Kirchgänger sind, fühlen sich die meisten der Orthodoxen Kirche innig verbunden, identifizieren sich und ihr Russischsein über den Glauben. Und diese, die stark mit Putin und dem Kreml verknüpft ist, übt nicht nur religiöse Macht über ihre Schafe aus. Religion, das ist zugleich so etwas wie nationale Tradition, die einher gehe mit dem „Festhalten an moralischen und ethischen Standards“. Das Kirchenoberhaupt, Patriarch Kirill, jedenfalls mache keinen Hehl aus seiner Einstellung zum Thema Homosexualität. Alternative sexuellen Orientierungen seien für ihn ein regelrechtes „soziales Übel“. „Die Kirche hat eine sehr starke Anti-Homosexuellen-Rhetorik, die mit der Zeit immer stärker wird“, sagt auch ein Aktivist in St. Petersburg zu PRI. Vor fünf Jahren, hätte sie das Ganze noch ignoriert, jetzt würden sie sagen, dass Homosexualität eine Sünde sei. Wie stark die Verflechtungen zwischen Kirche und Kreml seien, so das Blatt weiter, hätte aber nicht zuletzt der Fall der Protest-Punk-Band Pussy Riot gezeigt.
Putins Regierung scheint sich derzeitjedenfalls an die uralte russisch-sowjetische Idee zu halten, dass der Herrscher das Land an eine moralische Agenda klammern sollte. Die Abgeordneten scheinen ganz zufrieden damit, sich hier an die Kirche lehnen zu können. Von der öffentlichen Intoleranz würden sie darin sogar bestärkt. Der Frontverlauf ist mit dem jetzigen Anti-Schwulen-Gesetz jedenfalls klar.
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Offen hatte Kirill Russlands neuen/alten Präsidenten Wladimir Putin in dessen von heftigen Protesten begleiteten Wahlkampf um weitere sechs Jahre im Kreml unterstützt. Dem Internet steht der Patriarch, übrigens wie sein katholischer Kollege in Rom, durchaus kritisch gegenüber. Jetzt ist der weißhaarige Kirill, der bereits mehrfach vor einer “Manipulation” im Internet gewarnt hat, am oberen Seitenrand seiner Facebook-Präsenz zu sehen. Tief versunken im Gebet, daneben ein großer goldener Kelch und ein Kruzifix. “Es ist keine persönliche Seite von Patriarch Kirill. Es ist eine offizielle Informationsseite des Moskauer Patriarchats”, erklärt Alexander Volkov gegenüber den russischen Medien, um falschen Vorstellungen vorweg zu greifen. Über diese Seite, so stellt er deutlich heraus, könne kein persönlicher Kontakt zum Kirchenoberhaupt hergestellt werden.
Dennoch: Der Schritt in die Gemeinde der Facebook-User, die mittlerweile fast eine Milliarde Menschen umfasst, kommt nicht von Ungefähr. “Es gibt ein wachsendes Interesse im Internet, an dem, was der Patriarch tut und wohin er reist. Dies ist ein Schritt, die Internet-User auch zu treffen”, so ein Sprecher der Orthodoxen Kirche gegenüber dem “Chicago Tribune”, der nicht genannt werden will. “Der Patriarch selbst nutzt das Internet ebenfalls, um nach Informationen suchen.”
Verstärkt in den öffentlichen Fokus rückten Kirill und seine Kirche im Zusammenhang mit Protesten der russischen Punkband “Pussy Riot” (vor dem Altar der Hauptkathedrale Russlands hat die feministische Gruppe blasphemische Lieder gesungen – mehr hier, Amnesty International forderte ihre Freilassung – mehr hier). Noch immer befinden sich drei Bandmitglieder in Haft. Kirills Rufe nach drakonischen Strafen für die Frauen hat die Öffentlichkeit gespalten und eine Debatte über die Rolle der Kirche in der Politik entzündet. Kirill hat Putin verteidigt und die 12-jährige Herrschaft des ehemaligen KGB-Spions als “ein Wunder Gottes” bezeichnet.
Auf Kirills Facebook-Seite finden sich nun eine Reihe von Bildern, die ihn bei Treffen mit Gläubigen zeigen. Nur Stunden nach ihrer Freischaltung, so heißt es weiter, habe die Seite bereits 900 “likes” einstreichen können. Mittlerweile sind es fast 3000 (Stand 16.5. 15.45 Uhr).
Auf dem Höhepunkt der Anti-Putin-Russland Protestbewegung, die großteils über Social Networking Seiten wie Facebook und Twitter organisiert wurde, warnte Kirill übrigens davor allzu großes Vertrauen in das Internet zu setzen, der “Manipulation” von Menschen sei hier Tür und Tor geöffnet. Doch nicht nur Putin gilt es offenbar zu verteidigen, auch seine Kirche selbst. Erst letzten Monat hielt Kirill Tausende Gläubige zum Gebet an, um die Kirche von einem Angriff anti-russischer Kräfte zu verteidigen, die seine Autorität zu untergraben suchen. So haben ihn Kritiker beschuldigt, dass sein pompöses Verhalten eines Patriarchen unwürdig sei. Angeblich besitze er eine Luxusuhr und hätte Tausende Dollar gemacht als er eine Klage gegen die Nachbarn seiner Wohnung im Zentrum Moskaus gewonnen hat.
Die russisch-orthodoxe Kirche hat seit dem Ende der atheistischen Sowjetunion mitsamt seiner kommunistischen Herrschaft im Jahr 1991 eine starke Renaissance erfahren und seither eine zunehmend aktive Rolle in der Politik eingenommen. Und auch im Internet ist man nicht erst seit gestern aktiv: Der Pressedienst des Patriarchats hat bereits eine eigene Facebook-Seite. Im Jahr 2010 eröffnete die russisch-orthodoxe Kirche bereits ihren eigenen YouTube-Kanal.
Hier geht es direkt zur Facebook-Seite.
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