ÜBERWACHUNG

Big Brother in Russland: Was kommt nach den Wahl-Kameras?

Offiziell sollten sie Wahlfälschungen verhindern, doch eigentlich sorgten Putins Kameras in den russischen Wahllokalen eher für Amüsement: Partys, Küsse, Schlägereien – alles wurde da Anfang März geboten. Doch wie weit wird das Credo “Big Brother is watching you” künftig gehen? Ist Orwells Vision näher als gedacht? Jüngste Pläne stimmen skeptisch.

Wie weit werden Putins Wahl-Kameras künftig in das Leben der russischen Bevölkerung eindringen? (Foto: duncan/flickr)

Waren die rund 180.000 Überwachungskameras in den gut 90.000 russischen Wahllokalen erst der Anfang? Wenn es nach der hiesigen Telefongesellschaft  “Rostelecom” geht, offenbar schon. Sie hatte geholfen, die Kameras zu installieren und will nun weiteren Nutzen aus dem mit viel Skepsis betrachteten Video-Überwachungssystem ziehen.

Schüler, Krankenhäuser, Privatleute – Videosysteme überall

Wie “Rostelecom” am vergangenen Dienstag bekannt gab, soll das gut 13 Milliarden Rubel- umgerechnet rund 440 Millionen Dollar – teure Projekt fortgeführt werden. Dabei wird sich die Aufmerksamkeit der Überwacher diesmal nicht auf Wahlurnen, sondern vor allem auf Schüler richten. Denn: Unterrichtseinheiten sollen mit Hilfe des Systems künftig nicht nur aus Bequemlichkeit im Internet übertragen werden – das Unternehmen hat das Projekt “School of the future” geschaffen -, sondern auch helfen die Sicherheit in den Einrichtungen zu verbessern. So zumindest die offizielle Argumentation.

Sinn und Zweck der von Wladimir Putin installierten Kameras wurde bereits im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen bezweifelt. Eine Manipulation war durch sie kaum zu verhindern. Zum einen waren sie in den meisten Fällen schlicht zu weit weg und als Beweismaterial vor Gericht ohnehin nicht verwertbar. Die Tatsache, dass das Video-Überwachungssystem dennoch so schnell installiert wurde und überhaupt so reibungslos über die Bühne ging, zeigt daher schon jetzt, welche wirtschaftliche Bedeutung derlei Installationen im Russland der Zukunft wohl beikommen sollen.

“Rostelecom” jedenfalls hat vor, gut 92.000 der während der Wahl eingesetzten Systeme nun in Schulen, Krankenhäusern und Privathäusern im ganzen Land einzurichten. Immerhin, der Aufwand, der für den 4. März 2012 betrieben wurde, war gigantisch: Binnen 79 Tagen wurden im ganzen Land die entsprechenden Kameras installiert – mit Ausnahme des Magadanskaya-Gebiets in Russlands fernen Osten. Dort waren die klimatischen Bedingungen einfach zu extrem. Zehn Satelliten waren nötig und 9000 Kilometer neues Kommunikationsnetz, um Putins Wunsch nach vermeintlicher Transparenz umzusetzen.

Am Wahltag selbst, und teilweise schon tags zuvor, sahen gut 3,5 Millionen Menschen dem Treiben interessiert vor dem heimischen Rechner zu. Teilweise waren es bis zu 415,000 Personen gleichzeitig. Die Internetseite “webvybory2012.ru”  lief stabil und brach nicht einmal während des Ansturms zusammen.

Ministerium für Kommunikation und Massenmedien hat letztes Wort

Doch was jetzt folgen soll ist, gelinde gesagt, schon ein bisschen verrückter als das, was da Anfang März passierte.  Politische, soziale und private Überwachung, so sieht die Vision von “Rostelecom” aus. Ob sie tatsächlich in die Tat umgesetzt wird, hat nun das russische Ministerium für Kommunikation und Massenmedien zu entscheiden, dem diese und andere Ideen im Rahmen eines von ihm initiierten Wettbewerbs zur Zukunft der Kameras vorgelegt werden. Doch so oder so: Die von “Rostelecom” aufgebaute Infrastruktur wird dem Unternehmen sicherlich auch in den nächsten Jahren ordentliche Umsätze bescheren. Präsident Alexander Provotorv ist davon zumindest schon jetzt überzeugt.

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