JUSTIZ

Scharia in Russland? Tschetschenischer Anwalt fordert islamisches Rechtssystem

Nicht nur für die russische Jabloko-Partei dürfte das Ansinnen eines tschetschenischen Anwalts etwas zu viel gewesen sein. Doch die Partei hat nun Initiative ergriffen und die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen, nachdem der Jurist sich in einem TV-Interview für die Einführung der Scharia in Russland ausgesprochen hatte.

Eine islamistische Paralleljustiz in Russland? Für die meisten nur schwer vorstellbar. (Foto: lumierefl/flickr)

Eine islamistische Paralleljustiz in Russland? Für die meisten nur schwer vorstellbar. (Foto: lumierefl/flickr)

Nach Ansicht von Dagir Hasavov sollten die russischen Behörden Scharia-Gerichte zulassen – andernfalls, so seine Androhung, würden sie Gewalt und Blutvergießen ernten. Sergey Mitrokhin, Vorsitzender der Jabloko-Partei, sind über solche Aussagen zutiefst besorgt. Er und seine Leute glauben, dass es sich bei Khasavov um einen waschechten Extremisten aus dem überwiegend muslimischen Tschetschenien handle. Immerhin erklärte dieser im Interview mit dem russischen TV Kanal REN TV, dass die Muslime in Russland ihre eigenen Gesetze einführen würden – unabhängig davon, was andere Leute möchten.

Interview als Straftat: Aufforderung zum Extremismus  und Schürung nationalen Hasses

Die Sorge der Partei kommt nicht von Ungefähr: “Sie denken, dass wir hier nach Russland kommen als wäre es ein völlig fremder Ort für uns. Doch wir sind der Ansicht, dass wir hier zuhause sind. Vielleicht sind Sie die Fremdlinge hier und wir sind hier daheim. Und wir werden die Regeln durchsetzen, die uns passen, ob ihr das wollt oder nicht. Jegliche Versuche, uns zu stoppen, werden mit Blutvergießen enden”, warnte Dagir Hasavov während des Interviews.

Wie der Jabloko-Vorsitzende nun gegenüber der russischen Presse erklärte, falle das Interview seiner Meinung nach unter Artikel 280 und 282 des russischen Strafgesetzbuches (Aufforderung zum Extremismus und Schürung nationalen Hasses) und betonte, dass Menschen auch schon für viel “leichtere” Straftaten unter den gleichen Artikel inhaftiert worden seien.

Mittlerweile hat die Beschwerde, so berichtet “Russia Today”, das russische Innenministerium erreicht. Derzeit überprüfe man Khasavovs Aussagen hinsichtlich Extremismus und der Schürung nationalen Hasses. Schon in Kürze soll ein offizielles Ergebnis vorliegen.

Russische Muftis lehnen Forderung von Hasavov ab

Auch der Moskauer Mufti Albir Krganov wurde von den Aussagen des Anwalts auf den Plan gerufen. Er stellte heraus, dass Khasavovs Meinung nicht als Sichtweise der Mehrheit der Muslime wahrgenommen werden sollte. Derzeit, darauf weist  Krganov außerdem hin, würden “Scharia-Gerichte” vor allem mit Steinigungen und anderen grausamen Hinrichtungen in Verbindung gebracht, die in Tschetschenien zur Zeit der Machtübernahme durch Terroristen durchgeführt wurden.  Zwischen 1996 und 1999 setzten diese die Scharia in Tschetschenien ein. Bereits kleine Delikte wurden mit der Todesstrafe geahndet. Prinzipiell, so erläutert er weiter, dürfen die Entscheidungen des Scharia-Gerichte nicht mit den Entscheidungen der weltlichen Gerichte in Konflikt geraten. Auch der russische Top-Mufti Talgat Tadjuddin lehnt die Idee des Tschetschenen kategorisch ab. Die russische Verfassung sehe die Trennung von Staat und Kirche vor und Muslime sollten die gleichen Gerichte wie alle anderen anrufen.

Ebenfalls zu Wort in dieser Angelegenheit meldet sich Vsevolod Chaplin, Chef der Abteilung für die Beziehungen zwischen Kirche und Gesellschaft in der russisch-orthodoxen Kirche. Er vertritt die Ansicht, dass Muslime nicht in dem Recht nach ihren eigenen Regeln leben zu dürfen beschränkt werden sollten. Sowohl Russland als auch der Westen würden diesem Weg in Zukunft folgen, so der Top-Kleriker. Pragmatischer sieht es da Mikhail Fedotov, Chef des russischen Präsidentenrates für Menschenrechte. Er hält parallele Gerichtsstrukturen in einem modernen Staat schlicht für unmöglich. Solche Forderungen, verbunden mit der Androhung von Blutvergießen, könnten nur von einem “kranken Mann” stammen. Natürlich sehe die russische Justiz aber auch außergerichtliche Einigungen vor. Hier könnte die Scharia durchaus zur Anwendung kommen.

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