Der russische Politkünstler Pjotr Pawlenski hat sich eine besonders ungewöhnliche Form des Protests gegen Putin und die Polizei ausgedacht.
Prompt hat er sich dazu entschieden, seine Hoden am Kopfsteinpflaster des Roten Platzes in Moskau zu nageln, berichtet derStandard.at. Anlass des Protests war der alljährliche Tag der Polizei. Der Nagel an Pawlenskis Hoden wurde anschließend von der Polizei entfernt. Die Beamten brachten ihn zuerst in eine Klinik und dann auf die Polizeiwache.
Das Video zu seiner Protestaktion vor dem Lenin-Mausoleum wurde zuerst auf grani.ru veröffentlicht.
Zuvor hatte Pawlenski aus Protest gegen die Inhaftierung der Mitglieder der Punkband Pussy Riot seinen Mund zugenäht. In den vergangenen Monaten führten russische Sicherheitskräfte zahlreiche Razzien bei NGOs durch (mehr hier).
]]>Die Anhänger der Kirche der Kopisten wollen nun auch in Russland offiziell anerkannt werden. Bereits um Weihnachten 2011 konnten sie das schwedische Parlament von ihrem Anliegen überzeugen und das Land seither um eine Religion bereichern. In Moskau, Sankt Petersburg, Nizhny Novgorod, Kazan und Chabarowsk wollen die Sympathisanten jetzt ebenfalls ganz offiziell entsprechende Anträge stellen. Ob sie tatsächlich Erfolg haben, scheint jedoch fraglich.
Die hiesige Presse beobachtet die Bestrebungen derzeit mit Argwohn. So wertet etwa Russia Today unter Berufung auf den Vorsitzenden der russischen Piratenpartei Pavel Rassudov das Anliegen der Kopisten als Bemühen, so einen Angriff auf russische Urheberrechtsgesetze starten zu können, die die religiösen Gefühle der Gläubigen beleidigen würden. „Die Registrierung der Kirche wird Jahre dauern. Doch Anhänger der Kirche der Kopisten werden das Recht haben, gegen Anti-Piraten-Gesetze zu klagen“, zitiert RT RAssudov.
Gemäß dem Gesetz „Über die Freiheit des Gewissens und der religiösen Vereinigungen“ haben russische Bürger das Recht, sich obligatorisch in einer religiösen Gruppe ohne offizielle Registrierung zu organisieren. Handelt es sich dabei um nicht weniger als zehn Personen und besteht der Zusammenschluss mindestens seit 15 Jahren, dann kann sie als legale juristische Person registriert werden.
Die Kopisten, das muss allerdings auch RT zugestehen, treffen derzeit gleich unter zwei Gesichtspunkten den Nerv der Russen. Zum einen sei im Zuge des Falls der russischen Protestpunkband Pussy Riot bereits im Mai dieses Jahres ein Gesetz verabschiedet worden, das die Beleidigung religiöser Gefühle mit Gefängnis bestraft. Neben der Verschärfung des russischen Blasphemiegesetzes ist auch das neue Anti-Piraterie-Gesetz, das seit vergangenen Donnerstag in Kraft ist, ein Thema. Dieses richtet sich inbesondere gegen die illegale Verbreitung von Filmen und TV-Inhalten. Bei entsprechenden Hinweisen auf Urheberrechtsverletzungen sind Webseiten fortan dazu verpflichtet, die Inhalte zu entfernen. Die Crux: Kommt die Website der Forderung, den geschützten Inhalt herunter zu nehmen, binnen 72 Stunden nicht nach, kann gerichtlich die Blockierung der gesamten IP-Adresse angeordnet werden.
Unterdessen werden allerdings auch Zweifel am potentiellen Erfolg der Kopisten laut. So seien die aktuellen rechtlichen Perspektiven für die Kirche in Russland sehr vage , glauben Experten. Russland sei ein säkularer Staat. Religiöse Organisationen hätten daher keinen ernsthaften Einfluss auf die nationale Gesetzgeber, so der Rechtsexperte Viktor Naumov zur Zeitung Iswestija. Ein direkter Appell an das Verfassungsgericht sei wahrscheinlich die einzige Chance für die Aktivisten, nur diese Instanz könne entscheiden, so Naumov. Darüber hinaus hätte bisher selbst die russische Piratenpartei konsequent die Registrierung verweigert, da die Kopisten in ihren Augen Piraterie, die nach dem Strafgesetzbuch strafbar sei, fördern würden.
Bereits seit Ende 2011 ist das Königreich Schweden offiziell um die Kirche der Kopisten reicher. Anhänger der Gruppe der Informations-Verbreiter wurden dort nach dem dritten Anlauf offiziell als Glaubensgemeinschaft vom Parlament anerkannt. Im Zentrum der Lehre steht das Recht, Daten auszutauschen, das so genannte File-sharing. Die Kirche der Kopisten ist der Überzeugung, dass das „kopyacting“, also der Austausch von Informationen durch Kopie einem religiösen Dienst gleicht.
Die Organisation, für die CTRL+C und CTRL+V (Die Abkürzungen für Copy und Paste) religiöse Symbole sind, setzen sich nicht direkt für die illegale Verbreitung von Daten ein. Vielmehr stehen sie für eine offene Verteilung von Wissen an alle. Religionsgründer ist der Philosophie-Student Isak Gerson. Er ist auch religiöses Oberhaupt. „Für die Kirche der Kopisten sind Informationen heilig. Sie zu verbreiten ist ein Sakrament. Informationen sind an sich wertvoll und durch die Verbreitung wird ihr Wert vermehrt. Daher ist die Verbreitung zentral für die Organisation und ihre Mitglieder“, zitierte ihn die BBC Anfang 2012.
]]>Nun legt der russisch-orthodoxe Patriarch Kirill nach. Gleichgeschlechtliche Ehen seien ein Anzeichen für den bald anstehenden Weltuntergang. Diejenigen, die Homo-Ehen kritisieren seien ständigen Angriffen und Kritiken ausgesetzt. Der Westen befände aufgrund der rechtlichen Legalisierung von Homo-Ehen in einem Prozess der Selbstzerstörung.
„Wir müssen alles tun, um eine Legalisierung im heiligen Russland zu verhindern“, zitiert The Moscow Times den Patriarchen.
Präsident Wladimir Putin teilt die Ansichten Kirills. Am 30. Juni unterzeichnete er das Gesetz gegen „Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen”. Darüber mit Minderjährigen zu sprechen ist ebenso verboten, wie sich etwa in Kundgebungen für deren Rechte einzusetzen.
Durch das Gesetz drohen auch Ausländern bei Weitergabe von Informationen, öffentlicher Demonstration und Unterstützung von Homosexualität Geldstrafen in Höhe von bis zu 100.000 Rubel (rund 2.300 Euro), bis zu 15 Tage Haft und die Ausweisung aus der Russischen Föderation. Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen nach Russland (mehr hier).
Homosexualität ist nach Ansicht vieler Russen eine Sache von Pädophilen und Faschisten (mehr hier).
]]>Das am 30. Juni von Präsident Wladimir Putin unterzeichnete Gesetz gegen „Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen” befugt die russischen Behörden auch gegen Ausländer aktiv zu werden. Auswirkungen könnte das nicht nur auf den Tourismus, sondern sogar auf die anstehenden Olympischen Spiele in Sotschi 2014 haben.
Das neue Gesetz äußerst vage formuliert. Selbst das Zeigen einer Regenbogenflagge oder Hand in Hand durch die Straßen zu laufen, werde geahndet. Das Auswärtige Amt warnt bereits vor möglichen Folgen bei Reisen nach Russland. Durch das Gesetz, so heißt es dort, drohen auch Ausländern bei Weitergabe von Informationen, öffentlicher Demonstration und Unterstützung von Homosexualität Geldstrafen in Höhe von bis zu 100.000 Rubel (rund 2.300 Euro), bis zu 15 Tage Haft und die Ausweisung aus der Russischen Föderation (mehr hier).
Der Schritt kommt übrigens zu einem besonders kritischen Zeitpunkt. Die Vorbereitungen zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 laufen auf Hochtouren. Menschenrechtsaktivist Boris O. Dittrich, Direktor bei Human Rights Watch, kritisierte das Gesetz in einem Brief an den Generaldirektor des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Christophe De Kepper, scharf: „Die langjährige Position von Human Rights Watch ist, dass es keine erfolgreichen Olympischen Spiele geben kann, wenn es Diskriminierung oder Menschenrechtsverletzungen gibt“, zitiert ihn die Huffington Post. Ausländer – möglicherweise auch Sportler -, die das Gesetz verletzen würden, wenn sie etwa über ihre sexuelle Orientierung in der Öffentlichkeit sprechen würden, riskierten eine Geldbuße, 15 Tage Gefängnis und gar die Ausweisung.
Dittrich empfiehlt dem IOC einen dauerhaften Mechanismus zu installieren, um Maßstäbe für Menschenrechte für alle Olympischen Gastgeberländer durchzusetzen und diese schon in der Vorbereitung und während der Olympischen Spiele zu überwachen. Erst im vergangenen Monat hatte das IOC signalisiert, LGBT-Athleten während der bevorstehenden Olympischen Spiele in Russland zu unterstützen.
Bereits Mitte Juni dieses Jahres kritisierte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle das neue Gesetz gegen „Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen”. Die bewusste Stigmatisierung und Strafandrohung gegenüber gleichgeschlechtlichen Beziehungen dürfe in einer modernen und dem Anspruch nach demokratischen Gesellschaft keinen Platz haben, zitierte Reuters Westerwelle.
Neben Westerwelle äußerte sich auch der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte, Markus Löning, zu den Ereignissen in Russland. Er sei „zutiefst betroffen“, durch das neue Gesetz würden „Homosexuelle noch weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt und die Presse- und Meinungsfreiheit noch weiter eingeschränkt“, so Löning in Berlin. Es sei aber die „Aufgabe der Regierung, gegen homophobe Stimmungen in der russischen Gesellschaft vorzugehen“. Die bewusste „Diskriminierung und Stigmatisierung von Schwulen und Lesben hat in einer modernen Gesellschaft keinen Platz“, sagte Löning weiter. Doch diese ist noch immer in alten Denkmustern gefangen (mehr hier).
]]>Der Schock am vergangenen Dienstag saß tief. Einstimmig billigte die Staatsduma das so genannte Anti-Schwulen-Gesetz. Homosexualität soll damit aus der russischen Öffentlichkeit verschwinden. Darüber mit Minderjährigen zu sprechen ist ebenso verboten, wie sich etwa in Kundgebungen für deren Rechte einzusetzen. Wer dagegen verstößt, muss mit empfindlichen Strafen von bis zu 31.000 US-Dollar rechnen. Mit Protestaktionen hatte die homosexuelle Community bis zuletzt versucht dagegen anzugehen. Angegriffen wurden sie jedoch nicht nur von den Sicherheitskräften, sondern auch von orthodoxen Christen und Kreml-Aktivisten. Mit schwulenfeindlichen Bannern ausgestattet, starteten sie eine Gegendemonstration. Ihr Credo: „Abgeordnete, schützt uns vor perversen Leuten!“
„Das Argument, dass man junge Leute dazu bringen kann, homosexuell zu werden, mag veraltet sein. Doch tatsächlich ist es im modernen Russland noch immer präsent“, so die Zeitung The Atlantic in einem Beitrag zum Thema. Das ginge sogar so weit, dass Homosexualität und Kindesmissbrauch in einen Topf geworfen und internationale Superstars wie Madonna für ihre klaren Worte abgestraft würden. Schauriger Gipfel des Schwulenhasses: Im vergangenen Mai wurde ein junger Mann nach seinem Outing in Wolgograd zu Tode gequält.
Die Wurzeln hierfür sind nach Ansicht des Blattes in der Vergangenheit zu suchen. Noch zu Sowjetzeiten sei Homosexualität ein Verbrechen gewesen und mit Gefängnis und Zwangsarbeit bestraft worden. Noch während der 60er und 70er Jahre wirkte diese stalinistische Anti-Homosexuellen-Politik. Homosexuelle seien als „Außenseiter“ betrachtet worden. Homosexualität, so die weit verbreitete Meinung, sei eine Sache von Pädophilen und Faschisten.
Maßnahmen wie dieses Propaganda-Verbot würden nun zeigen, dass viele Russen diese Ansichten noch immer nicht ad acta gelegt hätten. Und das selbst Jahrzehnte nach Ende des Regimes. „Als Stalins antihomosexuellen Gesetz im Jahr 1993 aufgehoben wurde, gab es keine Amnestie für diejenigen, die noch wegen Sodomie im Gefängnis saßen“, so etwa der Professor für Geschichte Dan Healey, ein Experte für Homosexualität in Russland. Seit den 90er Jahren, so das Blatt weiter, hätten die Russen zudem unglaubliche wirtschaftliche Turbulenzen, einen Verlust von öffentlichen Dienstleistungen in vielen Bereichen, und die weit verbreitete Korruption erlebt. Alles Faktoren, die, so Yvonne Howell, eine russische Professorin an der University of Richmond, das Ausbilden negativer Stereotypen vorantreiben würden.
Das Ergebnis all dieser Erfahrungen liegt, so The Atlantic, auf der Hand: „Nur 16 Prozent der Russen heute sagen, dass Homosexualität von der Gesellschaft akzeptiert werden sollte, verglichen mit 42 Prozent in der Nähe des (ebenfalls einst kommunistischen) Polen.“ Interessanterweise würde sich die russische Gesellschaft damit aber einem weltweiten Trend entziehen, der Homophie und starke Religiösität miteinander in Verbindung bringt. Denn: Die Russen würden sowohl Gott als auch Homosexuelle ablehnen, wie die Chinesen. Russland gilt derzeit als eines der am wenigsten gläubigen Länder auf der Erde, mit nur 33 Prozent, die sagen, Religion sei in ihrem täglichen Lebe sehr wichtig.
Doch obschon die Russen keine Kirchgänger sind, fühlen sich die meisten der Orthodoxen Kirche innig verbunden, identifizieren sich und ihr Russischsein über den Glauben. Und diese, die stark mit Putin und dem Kreml verknüpft ist, übt nicht nur religiöse Macht über ihre Schafe aus. Religion, das ist zugleich so etwas wie nationale Tradition, die einher gehe mit dem „Festhalten an moralischen und ethischen Standards“. Das Kirchenoberhaupt, Patriarch Kirill, jedenfalls mache keinen Hehl aus seiner Einstellung zum Thema Homosexualität. Alternative sexuellen Orientierungen seien für ihn ein regelrechtes „soziales Übel“. „Die Kirche hat eine sehr starke Anti-Homosexuellen-Rhetorik, die mit der Zeit immer stärker wird“, sagt auch ein Aktivist in St. Petersburg zu PRI. Vor fünf Jahren, hätte sie das Ganze noch ignoriert, jetzt würden sie sagen, dass Homosexualität eine Sünde sei. Wie stark die Verflechtungen zwischen Kirche und Kreml seien, so das Blatt weiter, hätte aber nicht zuletzt der Fall der Protest-Punk-Band Pussy Riot gezeigt.
Putins Regierung scheint sich derzeitjedenfalls an die uralte russisch-sowjetische Idee zu halten, dass der Herrscher das Land an eine moralische Agenda klammern sollte. Die Abgeordneten scheinen ganz zufrieden damit, sich hier an die Kirche lehnen zu können. Von der öffentlichen Intoleranz würden sie darin sogar bestärkt. Der Frontverlauf ist mit dem jetzigen Anti-Schwulen-Gesetz jedenfalls klar.
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“Ich halte dieses Phänomen, das sich Feminismus nennt, für sehr gefährlich. Denn feministische Organisationen proklammieren eine Pseudo-Freiheit der Frauen, die sich in erster Linie außerhalb der Ehe und außerhalb der Familie manifestiert werden soll”, zitiert die Nachrichtenagentur Interfax Patricharch Kirill.
Der Mann solle sich, seiner Ansicht nach, nach außen orientieren und das Geld verdienen. Eine Frau sei stets nach innen, auf ihre Familie und Kinder konzentriert. Werde diese außerordentlich wichtige Rolle zerstört, so habe das Folgen für alle. Der Zerstörung der Familie, so fürchtet er, folge darauf hin unweigerlich die Zerstörung des Heimatlandes.
Etwa drei Viertel der Russen betrachten sich derzeit als russisch-orthodoxe Gläubige. Kirill selbst unterhält enge Beziehungen zu Präsident Wladimir Putin, der die Kirche wiederum als Hüterin der nationalen Werte Russlands betrachtet. Kirill verglich Putins Herrschaft über Russland einst sogar mit einem Wunder Gottes. Was der Präsident mit dem Gedanken honorierte, dass die orthodoxe Kirche eine größere Rolle in einem Land, in dem der Glaube nach dem Sturz der offiziell atheistischen Sowjetunion, tief sitze, spielen sollte.
Gemeinschaftlich stellten sich beide auch gegen den Protest der Punkband Pussy Riot im vergangenen Jahr. In deren Punk-Gebet in einer Moskauer Kathedrale riefen sie die Jungfrau Maria an, das Land von Wladimir Putin zu befreien. Das Schicksal einiger Bandmitglieder ist hinreichend bekannt (mehr hier).
Am vergangenen Montag wurde Putin erneut mit weiblichen Demonstrantinnen konfrontiert. Mitglieder der Frauenrechtsgruppe Femen, die in ganz Europa gegen die Inhaftierung der Pussy Riot-Damen protestiert hatte, stellten sich dem russischen Präsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Messe in Hannover barbusig in den Weg (mehr hier). Putin selbst tat den Vorfall mit einem Lächeln ab. Ihm habe gefallen, was er gesehen habe.
Erst am vergangenen Dienstag wurde in Russland einem Gesetz zugestimmt, das mache Straftaten gegen die Religion mit bis zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.
]]>Bereits seit vergangenem Sommer weht für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Russland ein eisiger Wind. Seither werden sie als „ausländische Agenten“ bezeichnet (mehr hier). Ende März dieses Jahres dann der nächste Schlag. Die russischen Behörden führten hunderte Razzien gegen ausländische Organisationen durch, darunter auch die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung, die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung und die Heinrich-Böll-Stiftung, die den Grünen nahesteht.
Es war das erste Mal, dass die russischen Behörden auch gegen deutsche Organisationen vorgingen. Auch die Büros von Amnesty International wurden durchsucht. Die Organisation steht seit längerem im Konflikt mit den russischen Behörden, weil sie wiederholt Menschenrechtsverletzungen durch Russland aufdeckt, etwa im Nordkaukasus. Viele Organisationen haben es bisher strikt abgelehnt, sich neu registrieren zu lassen. Beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sind bereits einige Klagen eingegangen. Bei der aktuellen Aktion wurden mehr als 2000 Büros landesweit lahmgelegt (mehr hier). Das US-Außenministerium verglich die jüngsten Razzien mit einer „Hexenjagd“.
Eigentlich hatte der 63-jährige Knopfler für den 7. Juni dieses Jahres ein Konzert in Moskau geplant. Am Tag darauf sollte ein Gig in St. Petersburg stattfinden. Seine Entscheidung, die Termine in Russland abzusagen, so berichtet derzeit die türkische Hürriyet, werde von Vertretern der russischen Opposition unterstützt. Unter ihnen befindet sich auch Russlands Internet-Guru Anton Nosik. Dieser entwickelt seit Mitte der 1990er Jahre führende russische Informationswebsites. Aktuell ist er Media Director bei SUP Media, Eigentümer von LiveJournal. In seinem Blog kommentiert er: „Ich kann Knopflers Entscheidung nicht nur verstehen. Ich respektiere sie.“
Andere internationale Künstler haben in jüngster Vergangenheit einen anderen Weg gewählt, um ihren Unmut über das Regime von Präsident Wladimir Putin zum Ausdruck zu bringen. Zu den prominentesten gehört ohne Zweifel US-Star Madonna, die sich vor Ort nicht für die russische Punkband Pussy Riot stark machte, sondern auch das Theme Homosexuellenrechte mit dem Verteilen roter Armbänder in St. Petersburg in den Fokus rückte (mehr hier).
]]>Von den russischen, regierungstreuen Medien bereits als neuer Staatsheld gefeiert, gibt sich Depardieu in seinen jüngsten Äußerungen schon voll auf Linie von Präsident Putin. „Die russische Opposition hat kein Programm – sie hat nichts“, zitiert die türkische Zeitung Hürriyet Depardieus Äußerungen im russischen Staatsfernsehen. „Leider sind die Massen dumm. Nur das Individuum ist hervorragend“, so der Schauspieler mit Blick auf die Massenproteste des letzten Winters und die nun wieder aufflammenden Demonstrationen bezüglich des russischen Adoptionsverbots für US-Bürger. Die Opposition, so Depardieu weiter, habe sehr schlaue Köpfe, wie etwa den ehemaligen Schachweltmeister Garry Kasparov, in ihren Reihen. Doch das sei für gut für Schach, aber auch nicht mehr.
Doch nicht nur an der russischen Opposition ließ Putins Freund kein gutes Haar. Auch mit der russishen Protest-Punkband Pussy Riot, von der zwei Bandmitglieder gerade mehrjährige Haftstrafen in Sibirien verbüßen, ging er 64-Jährige scharf ins Gericht. Depardieu, so das türkische Blatt weiter, habe fast wortwörtlich Putins Argumentation wiederholt. Demnach wäre es den verurteilten Frauen weitaus schlechter ergangen, hätten sie ihr Protestgebet nicht in einer Moskauer Kathedrale, sondern in einer Moschee in einem muslimischen Land aufgeführt.
„Stellen sie sich einmal vor, diese Damen wären in eine Mosche marschiert – da wären sie nicht mehr lebend herausgekommen“, so der „Asterix & Obelix“-Darsteller. „Doch wenn ich so etwas in Frankreich sage, werde ich als Idiot bezeichnet.“
Depardieus jüngste Äußerungen, so die Hürrieyt, hätten sich in der russischen Blogosphäre der Opposition rasch verbreitet. Der linke radikale Führer Sergei Udalzow soll sie gar als Herausforderung betrachten. „Es scheint, als wäre er an russischer Politik interessiert. Ich habe gehört, dass er ein paar Dinge über die Opposition zu sagen hat“, so Udaltsov zur Nachrichtenseite RIA Novosti. „Wir wären erfreut, ihn bei unserer nächsten Veranstaltungen zu sehen. Er wäre mehr als willkommen.“
]]>Das Problem ist, dass die Einhaltung dieser Gesetze nicht überwacht wird. Und es herrscht auch keine wirkliche Gewaltenteilung in Russland. Ein gutes Beispiel dafür ist das Justizsystem: In bestimmten politischen Fällen basieren die Gerichtsurteile nicht auf Rechtsstaatlichkeit, sondern auf den Befehlen des Kremls oder der örtlichen Behörden. Und die meisten dieser Prozesse enden mit Schuldsprüchen.
Daher habe ich Zweifel, dass sich Russland im Hinblick auf die Regierungsführung und die politischen Prozesse auf einem guten Weg einer nachhaltigen Entwicklung befindet. Das bestätigt auch eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung zu den BRICS-Staaten, den Emerging Players Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Die Studie, die von dem Forschungsprojekt Sustainable Governance Indicators (SGI) vorgelegt wurde, betont, dass „Russland eine ‚äußere Schale’ demokratischer Institutionen aufgebaut hat, aber versagt hat, diese mit Inhalt zu füllen, denn die Situation des politischen Pluralismus und der politischen Auseinandersetzungen hat sich in den letzten Jahren verschlechtert“. Als Hauptmängel nennt die Studie unter anderem schwach ausgeprägte Strafverfolgungsmechanismen, ein sinkendes Bildungsniveau und wachsende Korruption. Dem kann ich nur zustimmen.
Auch für ausländische Investitionen in Russland stellen diese und andere Probleme ein großes Hindernis dar. Aber das, denke ich, überrascht niemanden mehr. Von Russland wird nichts anderes erwartet.
Obwohl diese Situation ziemlich deprimierend sein kann, gibt es dennoch Grund zur Hoffnung: Es scheint, dass die russische Zivilgesellschaft schließlich erwacht und etwas unternimmt. Ich bin ein Cyber-Optimist und glaube daran, dass die Zivilgesellschaft in Russland durch die neuen Technologien und das Internet wächst und stärker wird.
Weil sich die Regierung um viele Dinge nicht kümmert, tun es heute oft die Bürger. Sie bieten dort Lösungen an, wo der Staat versagt. Beispielsweise schenkt die russische Regierung dem Umweltschutz kaum Beachtung und fördert wenig die Umsetzung umweltfreundlicher Maßnahmen. Auch die SGI-Studie bestätigt, dass „die [russische] Umweltpolitik weitgehend versagt, die Nachhaltigkeit der natürlichen Ressourcen und die Umwelt zu schützen und zu erhalten.“
Die neuen, erstarkenden zivilen Kräfte in Russland schaffen es oft, die Lage auf der Mikroebene zu verbessern. Blogger Against Litter [rus] beispielsweise ist eine Initiative, die Blogger im ganzen Land zusammenbringt, um öffentliche Orte sauber zu halten. Und als 2011 die großen Waldbrände ausbrachen, schlossen sich die Menschen wieder zusammen. Während der Staat unfähig schien, die Katastrophe zu stoppen, schufen Aktivisten eine „Help-Map“ (http://russian-fires.ru/), welche die Menschen mobilisierte und ihnen den direkten Weg zu den Orten zeigte, wo Hilfe benötigt wurde. Das war eines der ersten Beispiele für eine erfolgreiche Bürgermobilisierung in Russland.
Ein ähnliches Szenario ergab sich im Juli dieses Jahres, als es in Krymsk am Schwarzen Meer zu verheerenden Überflutungen kam. Wieder waren die russischen Behörden unfähig schnell auf Warnung über die Katastrophe zu reagieren, die Menschen zu retten und ihnen zu helfen. Tausende Freiwillige taten genau das. Sie schlossen sich zusammen, sammelten Nothilfe und brachten sie nach Krymsk. Aber die russischen Behörden sehen solchen Enthusiasmus ungern und so erließ das Parlament jüngst ein Gesetz, das den Freiwilligendienst erheblich einschränkt.
Darüber hinaus scheint es, dass der Kreml versucht, die russische Gesellschaft entlang religiöser, sozioökonomischer und ethnischer Linien weiter zu spalten: Die Orthodoxen Christen werden gegen die Generation iPad, die örtliche Bevölkerung gegen die Migranten und die Liberalen gegeneinander positioniert. Der jüngste Prozess gegen die Sängerinnen der Punkband Pussy Riot zeigt, wie die Gesellschaft entlang religiöser Linien polarisiert ist. Die Menschen interessieren sich mehr dafür, sich gegenseitig bloßzustellen, als sich gegen eine unfaire und korrupte Regierung zu verbünden.
Die Mehrheit der erwachsenen Bevölkerung in Russland nutzt das Internet täglich; und auch die Älteren werden in diese Prozesse langsam mithineingezogen. Diese Menschen haben vor langer Zeit aufgehört, Fernsehen zu schauen. Sie holen sich ihre Informationen aus dem Netz. Während die ältere Generation in den kleinen Städten und auf dem Land weiterhin für Putin und seinen Stabilitätskurs stimmt, versuchen die oppositionellen Schichten der Gesellschaft, die korrupte Natur des Regimes aufzuzeigen.
Die BRICS-Studie von SGI entwirft zwei mögliche Zukunftsszenarien für Russland: ein gutes und ein schlechtes. Es ist offensichtlich, dass die russischen Behörden nicht flexibel sind und auf Forderungen der Gesellschaft nicht reagieren. Warum sollte sich daran jetzt etwas ändern? Sowohl Putin als auch der derzeitige Premierminister Dimitri Medwedew betrachten die Korruption als die gefährlichste Gefahr für die Staatsmaschinerie, aber fast nichts ist bisher dagegen unternommen worden. Die russischen Behörden tun das, was sie immer getan haben. Sie ziehen die Daumenschrauben immer weiter an, bis das Land irgendwann explodiert. Die russische Gesellschaft erinnert mich an einen Bär im Winterschlaf: Er kann Misshandlungen lange Zeit erdulden, aber ab einem gewissen Punkt wird er sehr wütend. Und dann ist das Maß voll.
Aus dem Englischen von Rosa Gosch
Der Beitrag ist in Zusammenarbeit mit Kollegen des Projektes FutureChallenges entstanden. Für dieses bloggt die Autorin Masha Egupova (http://futurechallenges.org/
Weitere Infos hier: http://news.sgi-network.org/
Wer hat das Sagen in der internationalen Kunstszene – unabhängig von schnöden Verkaufszahlen oder Meinungen, die sich Kritiker über das eigene Schaffen gebildet haben? Die Welt scheint derzeit mit jenen zu sympathisieren, die von den Regierungen in ihrer Heimat verfolgt werden.
Denn neben dem chinesischen Konzeptkünstler, Bildhauer und Kurator Ai Wei Wei, der im vergangenen Jahr noch Platz eins der „Power 100“-Liste anführte und nun einen nicht minder respektablen dritten Platz belegt, sind es ausgerechnet die Mitglieder der russischen Protest-Punkband Pussy Riot, die es in diesem Jahr erstmals in das seit 2002 aufgelegte Ranking geschafft haben. Das berichtet Russia Today.
Die rebellischen Damen, von denen zwei nun ihre zweijährige Haftstrafe in einem Arbeitslager in Sibirien antreten müssen, finden sich innerhalb der „Power 100“ in so illustrer Gesellschaft wie etwa der des deutschen Malers, Bildhauers und Fotografen Gerhard Richter oder neben dem britischen Künstler und Kurator Damien Hirst wieder.
Doch warum ausgerechnet diese Frauen, die mit ihrem Protestgebet gegen Präsident Wladimir Putin in der Moskauer Erlöser-Kathedrale im vergangenen Februar für weltweites Aufsehen und im Zuge des Prozesses für ebenso weitreichende Solidaritätsbekundungen gesorgt haben? Eben genau darum, fasst das Medium zusammen, warum die Wahl auf dieses Musikerinnen-Kollektiv gefallen ist. Der internationale Aufschrei nach ihrer Verurteilung war nicht zu überhören gewesen.
Nun also Rang 57 in der Liste der weltweit 100 einflussreichsten Personen im Kunstbetrieb. Doch diese Entscheidung war nicht die einzige Überraschung in diesem Jahr. Erstmals in der Geschichte bekleidet eine Frau die Spitzenposition. Documenta-Chefin Carolyn Christov-Bakargiev, die mit ihrer Version der alle fünf Jahre in Kassel stattfindenden Schau einen absoluten Besucherrekord (14 Prozent Zuwachs) schaffte. Und noch mehr: “Documenta 13 hat den Künstlern erlaubt, für sich selber und durch ihre Arbeit zu sprechen und ihre eigenen Regeln zu machen”, zitiert die Rundschau die Begründung des Magazins. Ihr folgt auf Rang zwei der Galerist Larry Gagosyan.
Hier geht es zur vollständigen Liste.
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