Was ist bloß mit der einstigen Sport-Supermacht Russland los? Eine Position jenseits der Top 3 in einem Olympischen Medaillenspiegel schien bisher undenkbar. Doch ähnlich wie die deutschen Athletinnen und Athleten kommen auch die Russen nicht an den grandiosen Lauf der Chinesen heran. Obschon es in den vergangenen Tagen einige Medaillen gab, liegt die Mega-Nation nach 221 von insgesamt 302 Entscheidungen mit insgesamt 53x Edelmetall nur auf Rang fünf. Die Befürchtungen sind groß, dass die sonst so großartige Sportmaschinerie Russlands einen schweren Schlag erfahren könnte. Und noch schlimmer bei den anstehenden Winterspielen im russischen Sotschi 2014 eine schwere Demütigung hinnehmen müsse.
Olympia 2012 ist für die Russen ein “Totalausfall”
Eine zu Beginn dieser Woche veröffentlichte Umfrage offenbart: Bevor die jüngste russische Medaillenwelle begann, so berichtet “The Christian Science Monitor”, waren ganze 69 Prozent der Russen unzufrieden mit dem, was ihre Athleten im fernen London ablieferten. Die Umfrage der amtlichen Nachrichtenagentur ITAR-TASS brachte hervor, dass gar ein Fünftel der Russen die Olympischen Spiele als “Totalausfall” für Russland betrachten, während etwa die Hälfte glaubt, dass “dies ein unerwartet schlechtes Ergebnis” sei.
Noch vor Beginn der Spiele am 27. Juli hatte das russische Olympische Komitee ganz klare Zielvorstellungen. Zwischen 20 und 30 Goldmedaillen sollte das Team im Laufe der 302 Wettbewerbe mit nach Hause bringen. Vor vier Jahren in Peking landete man mit insgesamt 23 Goldmedaillen immerhin auf Rang drei. In Athen vier Jahre zuvor schaffte man es mit 27 Mal Gold ebenfalls auf diese Position. Und in Sydney im Jahr 2000? Da reichte es für sagenhafte 32 Goldmedaillen.
Bisher erreichte Russland erst elf Mal eine Goldmedaille
Am Ende von Tag 11 der Olympischen Spiele sieht die Bilanz weitaus nüchterner aus. Russland liegt im internationalen Medaillenspiegel auf Platz fünf – hinter Südkorea, Großbritannien, den USA und China. Bis zu diesem Donnerstag hat es gerade einmal für elf Goldmedaillen gereicht. Und es scheint ziemlich unwahrscheinlich, dass das anvisierte Ziel von 20 bis 30 noch bis zum 12. August erreicht werden könnte.
Während einige diesen Leistungen derzeit mit britischem Humor begegnen, kann der russische Sportminister Vitaly Mutko schon lange nicht mehr lachen. Er kündigte harte Konsequenzen für bestimmte Sportarten an, in denen die Mannschaften nicht genügend Medaillen abräumen konnten. “Für uns ist das fast wie Krieg”, zitieren ihn die russischen Medien. Jetzt gehe es zwar erst einmal darum, die Spiele zu beenden, doch disziplinarische Maßnahmen, das kündigt er schon jetzt an, würden folgen.
Präsident Wladimir Putin rief unterdessen zur Besonnenheit. Er sicherte eine gründliche Analyse der Spiele zu, bevor man endgültige Schlüsse ziehen würde. Auch er bedauerte den Ausfall der russischen Teams in einigen Sportarten, in denen man sicher mit einem Medaillenregen gerechnet hatte. Auf der anderen Seite hätte man jedoch auch Gold erreicht, wo man es überhaupt nicht habe erwarten können.
Werden Konsequenzen nach Vancouver Früchte zeigen?
Weniger unzufrieden zeigte sich unterdessen Premierminister Dimitri Medwedew. Er lobte die vielen Silbermedaillen, die man dieses Jahr gewonnen hätte und hob noch einmal das hohe sportliche Niveau der Russen hervor.
Das schleichende Ende der russischen Sport-Macht zeichnete sich jedoch nicht erst bei diesen Sommerspielen, sondern bereits zwei Jahre zuvor bei den Winterspielen Vancouver ab. Dort beschloss das russische Team auf dem sechsten Platz. Schon damals versprachen die Sportfunktionäre hart gegen Korruption vorzugehen und nachhaltig an der Disziplin während der Vorbereitungsphasen zu arbeiten. 2014 wird sich zeigen, was sich getan hat.
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