ISLAM

Extremismus? Russisches Gericht verbietet Bücher von islamischem Gelehrten

Ein Gericht im russischen Kaliningrad hat 16 Bücher des türkischen religiösen Gelehrten Said Nursi verboten. Der Vorwurf der Justiz: Extremismus. Die von ihm gegründete Nurculuk-Bewegung ist in Russland bereits seit vier Jahren verboten.

Wie die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti berichtet, befand das Gericht in Kaliningrad 14 von Said Nursis Büchern und zwei seiner Broschüren als problematisch. Zuvor waren die Werke „psychologisch und linguistisch“ von russischen Fachleuten geprüft worden. Deren Ergebnis: Die Schriften würden zum Hass aufstacheln und die Freiheit der Menschen beschränken, die nicht an den Islam glaubten.

Den Berichten zufolge wurden die betreffenden Bücher von Said Nursi während einer Polizeioperation in einem Haus in Kaliningrad beschlagnahmt. Ein Verdächtiger wurde dabei festgenommen und in Untersuchungshaft verbracht. Ihm wird vorgeworfen, Mitglied einer illegalen Organisation zu sein. Bereits im Jahr 2008 sprach ein russisches Gericht ein Verbot der von Said Nursi gegründeten Nurculuk-Bewegung  aus.

Nurculuk-Bruderschaft hat rund 10 Millionen Mitglieder

Der türkische Gelehrte Nursi (1878-1960) gilt als wichtige kurdische religiöse Figur. Zu Lebzeiten veröffentlichte er zahlreiche Schriften und wurde von den frühen republikanischen Behörden der Türkei inhaftiert. Seine religiöse Gemeinschaft ist in der Türkei noch immer angesehen und hat nach wie vor viele Anhänger. Obschon er sich selbst nicht als Nurcu (in etwa „Anhänger des Lichts“) bezeichnet hat, wird auch der umstrittene Gelehrte Fetullah Gülen, der seit 1999 in den USA lebt, von Wissenschaftlern als bedeutendster Vertreter und zentrale Führungspersonder Schüler Said Nursis betrachtet. Später sollten Nursis Ideen zu Eckpfeilern von Gülens Lehren und Schriften werden. Aktuell soll die Nurculuk-Bruderschaft in 100 Ländern weltweit etwa zehn Millionen Mitglieder haben.

Moskau folgt dem Credo, dass alle religiösen Führer oder Gruppierungen, die nicht unter russischer Kontrolle stehen, eine Gefahr für das Land darstellen. Doch Russland ist nicht per se gegen den Islam. So gibt es beispielsweise in Tatarstan, Tschetschenien oder Dagestan islamische Gelehrte, die direkt von Moskau gesponsort werden. So zum Beispiel der tatarische Mufti Ildus Faizov, auf den im Jahr 2012 ein Anschlag von wahabitischen Extremisten verübt wurde. Faizov überlebte (mehr hier). Ein anderes Beispiel für Moskaus Untergebene ist der tschetschenische Präsident Ramzan Kadyrov, der sowohl Politiker, als auch selbsternannter religiöser Führer ist.

Schon einmal Werke von Said Nursi als gefährlich eingestuft

Zuletzt kam es im Juli 2012 zu einem groß angelegten Bücherverbot. Zuvor wurden in Russland bereits 68 Publikationen der Zeugen Jehovas und 15 Werke des verstorbenen islamischen Theologen Said Nursi als gefährlich eingestuft und auf die Bundesliste extremistischer Materialien gesetzt.Vor gut einem halben Jahr, so berichtet der Blog unzensuriert.at, hatte das Gericht in der südrussischen Stadt Orenburg eine Liste verbotenen Schrifttums von mehr als 65 islamischen Büchern festgelegt, deren Vertrieb künftig auf russischen Boden untersagt sei. Auch im verangenen Jahr stufte das Gericht die islamischen Publikationen als „extremistisch“ ein. „Zu der als gefährlichen eingestuften islamischen Literatur zählen die bekannten Hadith-Sammlungen von al-Bukhari und al-Muslim wie auch die Bücher über das Leben des Propheten Mohammed (Sirah) und die 40 Hadithe des Imam An-Nawawi.“

Das Verbot, so heißt es weiter, habe für blankes Entsetzten bei der moslemischen Gemeinschaft in Russland gesorgt.  Sowohl der Rat der Muftis von Russland, das Zentralbüro der islamischen Religionsgemeinschaft, das moslemische Koordinationszentrum für den Kaukasus sowie weitere islamische Einrichtungen hätten die Entscheidung des Gerichts in aller Schärfe verurteilt. Russlands Ombudsmann für Menschenrechte, Vladimir Lukin, stellte unterdessen klar: „Der Kampf gegen den Terrorismus ist ein Kampf gegen die reale Planung von Terrorakten und den Aufbau von Gruppen und nicht gegen die Auslegung alter heiliger Bücher, egal welcher Glaubensrichtung.“

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